Das sinnentleerte Bild der „gütigen Ministerin“

Wenn Kinder auf Propagandabildern erscheinen, gibt es immer etwas zu verbergen.

 

Eine Ministerin überreicht einem Kleinkind einen Geldschein. Es ist keine private Spende, kein Akt der Güte, sondern es handelt sich um einen organisierten Fototermin. Zu sehen war das Bild zunächst in der Kronen Zeitung, ehe es sich in Windeseile im Netz verbreitete und sofort Anlass für zahlreiche humoristische Angriffe gab. Was in den sozialen Medien lustig aussieht, hat einen ernsten Hintergrund. Es ist der Missbrauch von Kindern für Propaganda – und der ist nicht nur alt, sondern wird politisch immer dann eingesetzt, wenn es nicht besonders gut läuft.

Schon die Habsburger ließen sich mit ihren Kindern so darstellen, dass von anderen Aspekten abgelenkt werden konnte. Menschen, die bis heute als royal gelten, als wäre die Monarchie keine absurde Erfindung, lassen sich vorzugsweise mit Kindern abbilden. Auch das Presseteam rund um J.F. Kennedy beherrschte die Kunst, im richtigen Moment die Kinder des Präsidenten ins Bild zu rücken. Das Bad in der Menge, insbesondere mit Kindern, scheint Politiker menschlicher zu machen. Die süße Jugendlichkeit und Unschuldsvermutung soll auf den Politiker abfärben. Daher gibt es Bilder mit Kind und Herrscher aus jeder Diktatur seit Erfindung der Fotografie. Wer mit Kindern lacht, kann so schlecht nicht sein, sollen die Bilder sagen.

Das Bild der gütigen Ministerin

So gesehen hat sich Familienministerin Christine Aschbacher oder vielmehr ihr Presseteam sicher etwas dabei gedacht, als das Bild geplant wurde. Da wäre die volksnahe Politikerin der volksnahen Partei: Eine Familienministerin sitzt nicht nur abgehoben in ihrem Regierungsbüro, sondern geht direkt zu den Menschen und überbringt das Geld persönlich. Und das in Zeiten von Corona, wo andere sich daheim verstecken. Dankbar steht die Familie in geringem Abstand und starrt andächtig auf den Hundert-Euro-Schein, der ausgerechnet dem Baby in die Hand gedrückt wird.

So ist das Bild in der Kronen Zeitung erschienen. Berichterstattung oder Propaganda?

Die fehlende Maske, die kritische Haltung der Mutter, der skeptische Blick des Kindes (im Internet kommentiert mit einer Sprachblase: „Hearst, des is ja viel zu wenig!“), der Vater, der sich brav nach vorne beugt, um den Geldschein sehen zu können, genau wie es ihm vom Fotografen angeordnet wurde. All das ist nur die Nebengeschichte. Solch ein Bild ist nicht einfach Pressematerial eines Ministeriums. Geworben wird keineswegs für die Aktion, denn diese Übergabe von Geld gibt es ja gar nicht, sondern das Bild ist reine Propaganda und hat als solches die Aufgabe der Ablenkung.

Das Bild als Ablenkung

Besser, die Medien mokieren sich über ein misslungenes Bild, als dass noch länger über die Misere des Finanzministers gesprochen wird. Doch die Ablenkung funktioniert nicht, denn man kann es übertreiben, und dann kehrt sich Propaganda in ihr Gegenteil. Sowohl das unselige Foto wie die aalglatte Gelassenheit von Gernot Blümel oder Sebastian Kurz demonstrieren die ethische Leere hinter manchen Regierungsbeschlüssen. Eine Regierung in solch einer schwierigen Situation wie in den letzten Wochen wird immer Fehler machen, das geht gar nicht anders. Die Frage ist, wie sie damit umgeht und wie sehr sie glaubhaft machen kann, dass sie weiß, wie es der Bevölkerung geht, womit die Menschen kämpfen und welche Sorgen ihnen Schlaflosigkeit bescheren. Wenn dieses Vakuum an Menschlichkeit dann noch begleitet wird von Überinszenierungen, bröckelt die Propaganda.

Von Jörg Haider gibt es übrigens ähnliche Bilder mit Familien, wobei er wenigstens die Kinder nicht wie bei der Mafiageldübergabe zeigen ließ. Man könnte nun fragen, warum sich eine Politikerin gefallen lässt, dass ihre männlichen Kollegen im eleganten Pressefoyer die Verordnungen präsentieren und sie als Geldbotin in einem Hinterhof abgelichtet wird. Feministisch ließe sich da einiges kritisieren, doch auch das ist nur eine Nebengeschichte. Zur Diskussion gestellt werden sollte, warum Kinder nach wie vor für Botschaften missbraucht werden, die sie selbst noch gar nicht begreifen können.

Die Propaganda und der Bumerang

In Österreich dürfen Eltern noch über das Bild ihres Kindes verfügen – allerdings nicht unbedingt was ihre Veröffentlichung etwa in den sozialen Medien betrifft. Doch das wissen wenige. Viele Kleinbetriebe lassen in ihren social media-Auftritten das Privatleben mit Kind und die Produktwerbung ineinander verschwimmen. Klar, das Kinderbild ist süß und konzentriert Blicke. Bloß werden Kinder nicht gefragt und wenn sie gefragt werden, wird ihnen nicht erklärt, was es bedeutet, auf einem veröffentlichten Bild zu sein.

Politisch ist immer interessant, welches Bild von Kindheit präsentiert wird. Hier ist es jenes der Unschuld und Dankbarkeit, aber vorwiegend das der Passivität. Die Regierung macht, die Bevölkerung schaut bewundernd zu, und die nächste Generation nimmt das Angebot gerne an. Das hätte die Propaganda mitteilen wollen, doch es kam anders. Es gibt anscheinend immer mehr Menschen, die hinter die Bilder schauen. Wenn sie dort nichts sehen außer Eigenwerbung der agierenden Politiker und Politikerinnen, wird der Ablenkungsversuch eventuell zum Bumerang.

Zuerst erschienen auf Dolomitenstadt