Die Hiobsbotschaften des anderen

Wenn ein Minister erfolglos agiert, fällt dies irgendwann auf die gesamte Regierung zurück.

 

Es gilt als altbekanntes Phänomen, dass eine Krise die Regierung stärkt. Die Krise zur rechten Zeit vermag von unbequemen Problemen abzulenken. Manch Politiker hat auf diese Weise schon seine Karriere gerettet. Für die jeweilige Opposition ist es hingegen eine besondere Herausforderung, denn nicht nur, dass es die führende Hand in solch einer Situation leichter hat, sondern man kommt mit oppositioneller Haltung kaum in den Medien durch. Die Covid-19-Pandemie zeigt das international sehr gut vor. Ob die Opposition gute Vorschläge hat oder nicht, man erfährt es kaum.

Gleichzeitig formiert sich Widerstand in der Bevölkerung, oft getrieben von gefährlicher Seite, wie die jüngsten Demonstrationen in Deutschland gezeigt haben, der Unmut allerdings ist verständlich. Zuviel bleibt ungesagt, nur angedeutet und die Kommunikation der Regierung kommt gebetsmühlenartigen Parolen gleich. Da ähneln sich die einzelnen Regierungen. Was die Bevölkerung derzeit nicht nur bräuchte, sondern was in einer Demokratie selbstverständlich sein müsste, ist eine möglichst klare Darstellung dessen, was wie gemacht wird und vor allem warum.

Die Vorbereitung weiterer Irrtümer

Die Entschuldigung bei unterlaufenen Fehlern ist höflich, bringt allerdings wenig, wenn zu erwarten ist, dass weiterhin Fehler gemacht werden, und in einer Krisensituation, die so ungewohnt ist wie diese Pandemie, lassen sich Irrtümer gar nicht vermeiden. So könnte man die Versuche des grünen Gesundheitsministers durchaus mit dem Brechtschen Zitat „Ich bereite meinen nächsten Irrtum vor“ umschreiben.

Dass der Minister und sein Ressort dafür alleine verantwortlich wären, ist schwer zu glauben, denn in einer so einschneidenden Situation findet die Arbeit – so wurde das zu Beginn der Maßnahmen im März und April betont und öffentlich vorgeführt – in mehreren Ministerien parallel und gemeinsam statt. Erst seit Rudi Anschober ins Stolpern geraten ist, findet das türkise Bemühen statt, den Regierungskollegen möglichst alleine dastehen zu lassen, als wäre das Kritisiertwerden ebenso ansteckend wie das Virus.

Das grüne Unglück

Das wirkliche Unglück Anschobers ist das fehlende grüne Personal in seinem Ministerium. Den Grünen war schon zu Beginn der Regierungsverhandlungen klar, dass das Schicksal der Koalition sehr eng mit der Zusammensetzung der MitarbeiterInnen in den Ministerien zusammenhängen wird. Das Gesundheitsministerium schien im Vorfeld ein recht sicherer Erfolg. Die letzte Sozialministerin war unbeliebt, Rudi Anschober das Regieren aus Oberösterreich gewohnt und galt selbst bei politischen Gegnern als kompetent. Das grüne Problem war daher nie, keine ministrablen Personen in der Partei oder im näheren Umfeld, sondern kaum Verbündete in den Ministerien zu haben. Selbst die langjährigsten parlamentarischen MitarbeiterInnen, die beim Wiedereinzug ins Parlament zurückgeholt und in manches Ministerium gesetzt wurden, hatten keinerlei Kabinetterfahrung. Wenn dann noch dazukommt, dass in einem Ministerium Personen mit anderen Parteipräferenzen sitzen, ist das Dilemma groß.

Den NEOS würde es ähnlich gehen und je länger die ÖVP den Kanzler stellt, desto mehr wird dies auch für die SPÖ zur Herausforderung werden, wenn sie einst wieder in der Regierung sitzen wird – auch wenn dieser Moment derzeit recht fern zu sein scheint.

Des einen Schaden kann auch der des anderen werden

Die ÖVP weiß um das Personalproblem des Koalitionspartners und genießt es. Die fast gönnerhafte Pflichtverteidigung des Gesundheitsministers durch Bundeskanzler Kurz am Freitag sprach Bände. Wer wollte, konnte ein leichtes Schmunzeln erkennen. Bequemer könnte es für den Regierungschef derzeit nicht sein: Von seltsamen Entscheidungen der eigenen Regierungsmitglieder, siehe Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, wird abgelenkt, während die Grünen mit ihren eigentlichen Themen nicht durchkommen und zudem in der Negativspirale stecken, womit das kürzlich noch beliebteste Regierungsmitglied angezählt ist. Dem Bundeskanzler fällt damit eine ungeliebte Konkurrenz weg. Ausgerechnet in einer Zeit, in der die Nervosität vor den herbstlichen Pandemieentwicklungen ebenso groß ist wie die Sorgen und Ungeduld der Bevölkerung, dürfte es für Anschober schwierig werden, in der Beliebtheitsskala rasch wieder nach oben zu klettern.

Dem Bundeskanzler kann das zunächst nur recht sein. Allerdings wird es den Moment geben, in dem die schönen Worte nicht mehr überdecken können, dass es letztlich doch eine gemeinsame Regierung ist, deren Irrtümer schließlich alle tragen werden müssen. Social Distancing wird hier nicht helfen. Nicht nur Covid-19 ist höchst ansteckend, sondern auch der Misserfolg von Einzelpersonen in der Regierung.

 

Zunächst erschienen auf Dolomitenstadt