Politische Verlierer und einige Gewinner

Nicht jede politische Rolle in der Pandemie ist eine schöne.

 

Der verlängerte Lockdown kommt nicht unerwartet. Für die einen stellt er das einzige Mittel dar, andere sehen darin eine Katastrophe – die Meinungen dazu können sich überschneiden. Nach wie vor schafft die Krise aber auch Gewinner. Eine Zeit lang meinte man, dies sei die Natur, doch das war eine Wunschvorstellung. Der Klimawandel wird nicht aufgehalten.

Die guten Nachrichten lassen generell auf sich warten. Führen die Wintermonate ohnehin aufgrund des Lichtmangels zu vermehrten Depressionen, wirken die ausgestorbenen Städte inzwischen wie ausrangierte Hollywoodkulissen. Wir sind betroffen, wir leiden und jammern. Ärger breitet sich aus. In Ermangelung eines offensichtlichen Gegners wird der Grant, den man berechtigterweise nach den vielen Monaten hat, umgelenkt. Schließlich kann man das Virus nicht anschreien. Unterschiedliche Meinungen ziehen Risse durch Freundschaften und Familienbeziehungen. Beschimpft und kritisiert wird, wer gerade da (oder vor der Kamera) ist. Der steirische Landeshauptmann Schützenhöfer sieht es mit Galgenhumor: „Wir Politiker werden beschimpft, dafür sind wir gewählt worden.“

Die politischen Verlierer und Profiteure

Sich über die Regierung auszulassen, ist das Naheliegendste. Dass sie seit Monaten einen Kommunikationsfehler nach dem anderen begangen hat, wankelmütig agiert und immer wieder den Eindruck erweckt hat, den Überblick verloren zu haben, war nicht hilfreich. Mit starken Begriffen und viel Emotionstechnik wird daran gearbeitet, staatstragend und zugleich volksnah zu wirken, verständnisvoll und zugleich professionell. In einer Krise ist das kompliziert. Für die Koalition steigt der Druck.

Doch auch in der Politik lässt sich profitieren. Pamela Rendi-Wagner hat mit dem Thema endlich eine Materie, in der sie gegenüber ihren innerparteilichen Widersachern punkten kann. Sie weiß nicht nur, wovon sie spricht, sondern besitzt ebenso das Format, dann gegen die Regierung zu stimmen, wenn sie meint, diese liege falsch, sehr wohl aber Beschlüsse mitzutragen, wenn sie sie für sachlich korrekt hält. Ob ihr dieses Verhalten auch in der SPÖ langfristig helfen wird, bleibt offen, zumal einige Konkurrenten immun gegen Expertise zu sein scheinen.

Die neue Karriere des Herrn Kickl

Jemand anderer wittert seine Chance im gegenteiligen Verhalten. Er fühlt sich im Widerspruch am wohlsten und macht erst gar nicht den Versuch, sachlich zu argumentieren. Stattdessen unterhält er. Ein wenig erinnert es an Kabarett, doch es ist der verzweifelte Versuch, eine zu Ende gehende Karriere noch einmal zu erhellen. Ein markiger Spruch hier, ein weiterer dort. Die politischen Gegner werden als Verbrecher bezeichnet, als Corona-Fetischisten, als Lügner.

Herbert Kickl scheint in seinem Element. Nach der glücklosen Karriere als Innenminister, die kürzer währte, als es dauerte, die Polizei aufs Pferd zu setzen, scheint sich der FPÖ-Klubobmann in der Anti-Corona-Szene heimisch zu fühlen. Hier wettert er gegen die Regierung, die Konzerne, die Mafia, wobei offenbleibt, wer diese sei. Dass er sich dabei an jedem Argument bedient, das Aufmerksamkeit schafft, ist unschön, allerdings auch nicht ungewohnt.

Vom Minister zum Opfer – solange es nützt

Es braucht nicht viel Fantasie, um vorherzusagen, dass die FPÖ damit eine Zeit lang Erfolg haben wird, weil die Corona-Müdigkeit zunimmt und sich die Suche nach alternativen Meinungen verstärkt. Nun reiht sich der Nationalratsabgeordnete Kickl in die Reihe der selbsternannten Experten. Er ist darin auch deshalb erfolgreich, weil der andere politische Meister des Ich-Bezugs und des Ich-richte-meine-Meinung-nach-den-Umfragewerten derzeit anderweitig beschäftigt ist.

Kickl zeigt, wie gut er ausdrücken kann, was er ausdrücken will, ohne jemals zu dem stehen zu müssen, was er sagt. Es ist je nach Bedarf etwas anderes. Da schreit die „Daham statt Islam“-Partei plötzlich, wie wichtig die Menschenrechte und deren Einhaltung seien. Und nun kann er sich auch noch das Mäntelchen des Opfers umhängen, weil er das Schicksal eines Donald Trump teilt, indem Youtube eine seiner parlamentarischen Reden aus dem FPÖ-Channel gelöscht hat. Die Opferrolle hat die FPÖ immer besonders gut beherrscht. Sie plagiiert damit das Gefühl jener Menschen, die zu den tatsächlichen Verlierern gehören – und das sind aufgrund der Pandemie viel zu viele.

 

Zunächst erschienen auf: Dolomitenstadt