Überzogene Erwartungen in Zeiten der Pandemie

Schutz ist wichtig, doch der Staat kann den Tod nicht abschaffen.

 

So lange hat man von ewiger Jugend geträumt und viel dafür getan, um jung zu bleiben oder wenigstens so zu wirken. Selbst das Erwachsenwerden zögerte man hinaus, indem kolportiert wurde, 30 sei das neue 20 und 50 das neue 30. Dass niemand wusste, was dies bedeutet, konnte den Hype ebensowenig aufhalten wie die Marktnische, die bald unter dem Modewort Hipster wirtschaftlich relevant wurde. Man alterte nicht mehr, man blieb cool und unbesiegbar, zumindest in einer recht dominanten Gesellschaftsschicht. Um Gefahr zu erleben, suchte man sich eine Sportart mit Kick.

Krieg schien weit weg, Naturkatastrophen geschahen in großem Ausmaß woanders, ebenso wie Diktatur und schwere Menschenrechtsverletzungen. Was einzig noch störte, war der Tod, doch den konnte man verdrängen, solange niemand Nahestehender betroffen war. Dann kam die SARS-CoV-2-Pandemie und mit ihr rückte der Tod in die Berichterstattung und in die Reden der PolitikerInnen.

Die staatliche Abschaffung des Todes?

Plötzlich war der Staat, den man in den Jahren davor so gerne schwächte, wieder wesentlich. Man rief nach Schutz und mehr noch sahen sich die PolitikerInnen in der Rolle, die Bevölkerung schützen zu müssen. Dazu muss man ergänzen, dass der Schutz der Bevölkerung im Nationalstaat stets ein wirtschaftlicher Faktor war. Ohne arbeitende Bevölkerung kein Wirtschaftswachstum, was irgendwann in dem absurdesten aller Marketingsprüche „Geht es der Wirtschaft gut, …“, kulminierte. Unter diesem Aspekt muss man die Bevölkerung in einer Pandemie vor allem aus wirtschaftlichen Motiven schützen.

Das war die alte Lehre, die offensichtlich nicht mehr funktioniert, weil sich die Werte und mit ihr die Moral verschoben haben. Keine Regierung kann sich die Nachrichten über viele Tote leisten, in fernen Kriegen nicht und noch weniger im eigenen Land. Nicht zufällig erregten letztes Jahr die Bilder von Särgen in Italien soviel Aufsehen. Eine Regierung wird heute dafür verantwortlich gemacht, Todesfälle niedrig zu halten. Es ist eine Zeit der Opfer im Namen der Sicherheit. Letztlich geht es quasi um die staatlich verordnete Abschaffung des Todes. Allerdings hat das Bemühen darum seinen Haken: die Einschränkung der Freiheit.

Unsichtbare Gefahren mindern die Kraft zu kämpfen

Die Anpassungsfähigkeit des Menschen an Krisen, Konflikte und ebenso an beschränkte Freiheit ist groß, ganz besonders, wenn akute Gefahr droht. Wenn aber diese Gefahr über lange Zeit besteht und immer unsichtbarer wird, weil alles so gut organisiert ist, dass man ihr kaum begegnet, sinkt die Widerstandskraft ebenso wie der Wille und die Kraft, durchzuhalten. Der kleinste gemeinsame Nenner ist derzeit daher, dass nahezu alle erschöpft und es leid sind. Die Ersatzhandlungen sehen unterschiedlich aus, doch ob die Reaktion auf die lange Ausnahmesituation Apathie oder Angst lautet, ein stilles Trauma ist, längerfristige Wut oder plötzlich ausbrechender Zorn, sie alle sind Zeichen für das Zuviel.

Für den Staat ist das ein Problem, denn er kennt dafür keine Sprache, keine Regeln. Wenn der Staat vom Schutz der Bevölkerung als einer seiner wesentlichen Aufgaben spricht, dann sind viele Aspekte gemeint, die Psyche kaum. Er kann zwar psychische Hilfe organisieren oder teilweise Kosten übernehmen, doch weder eine Regierung noch die staatlichen Institutionen sind darauf ausgerichtet, mit einer hochtraumatisierten Bevölkerung umzugehen. Länder wie die USA, Großbritannien oder Frankreich mussten das in den letzten Jahrzehnten lernen, weil die Traumata der aus Kriegen zurückkehrenden Soldaten zum sozialen Problem wurden und man dem entgegenwirken musste. Genau das wird aufgrund der Pandemie im Jahr 2021 und in – leider vielen – darauffolgenden Jahren eine der großen Aufgaben des Staates sein.

Hoffnung gegen Angst

Mit der Angst wird aber auch die Gesellschaft zu leben lernen müssen, weil nicht alles an den Staat delegiert werden kann. Keine Regierung wird Angst und Traumata alleine transformieren können. Der Wille der Bevölkerung zur Hoffnung wird darüber entscheiden, wie die nächsten Jahre aussehen werden. Damit die Bevölkerung diese Hoffnung halten kann, werden jene Teile der österreichischen Regierung, die mehr Angst vor WählerInnenverlust also vor der Pandemie haben, umdenken müssen.

Für den Staat ist das ein Problem, denn er kennt dafür keine Sprache, keine Regeln. Wenn der Staat vom Schutz der Bevölkerung als einer seiner wesentlichen Aufgaben spricht, dann sind viele Aspekte gemeint, die Psyche kaum. Er kann zwar psychische Hilfe organisieren oder teilweise Kosten übernehmen, doch weder eine Regierung noch die staatlichen Institutionen sind darauf ausgerichtet, mit einer hochtraumatisierten Bevölkerung umzugehen. Länder wie die USA, Großbritannien oder Frankreich mussten das in den letzten Jahrzehnten lernen, weil die Traumata der aus Kriegen zurückkehrenden Soldaten zum sozialen Problem wurden und man dem entgegenwirken musste. Genau das wird aufgrund der Pandemie im Jahr 2021 und in – leider vielen – darauffolgenden Jahren eine der großen Aufgaben des Staates sein.

Hoffnung gegen Angst

Mit der Angst wird aber auch die Gesellschaft zu leben lernen müssen, weil nicht alles an den Staat delegiert werden kann. Keine Regierung wird Angst und Traumata alleine transformieren können. Der Wille der Bevölkerung zur Hoffnung wird darüber entscheiden, wie die nächsten Jahre aussehen werden. Damit die Bevölkerung diese Hoffnung halten kann, werden jene Teile der österreichischen Regierung, die mehr Angst vor WählerInnenverlust also vor der Pandemie haben, umdenken müssen.

 

Zunächst erschienen auf: Dolomitenstadt