Österreich auf dem Weg in die Demokratie

Das Amtsgeheimnis steht seit 1925 in der Verfassung – und nun vor seinem Ende.

 

Haben Sie sich je gefragt, warum eine Schule gebaut oder der Bau ewig aufgeschoben wird? Haben Sie sich die Frage gestellt, wohin das Geld für die Werbekampagne einer Regierung fließt? Haben Sie sich gewundert, dass ein Projekt ganz leise eine große Förderung bekommt, während ein wesentlich billigeres eine Ablehnung erhält? Könnten Sie die Frage beantworten, wieviel ihre Gemeinde für Kultur oder Sport ausgibt – und was mit dem Geld geschieht?

Oder könnte es sein, dass Sie sich solche Fragen nicht stellen? In diesem Fall wären Sie gelernte/r ÖsterreicherIn, denn während es in der gesamten Europäischen Union gesetzlich verankert ist, dass die BürgerInnen zu solchen Fragen informiert werden, hinkt Österreich als einziges EU-Land nach. Es gibt hier bisher kein Informationsfreiheitsgesetz.

Man lernt in Österreich nicht, Dinge zu hinterfragen

Das sogenannte Amtsgeheimnis steht seit 1925 in der österreichischen Verfassung. Es hat eine Schutzfunktion gegenüber Dritten, sodass der Staat nicht alles verraten muss, sofern Dritte involviert sind und es diesen (oder dem Allgemeinwohl) schaden könnte, wenn eine Information publik wird. Das ist gut so, meist allerdings wird die Amtsverschwiegenheit stattdessen zum Schutze der agierenden PolitikerInnen genützt. Dahinter muss keine böse Absicht stecken, doch ein etwas legerer Umgang mit finanziellen Mitteln oder ein Verschieben eines Postens auf einen anderen ist in vielen Gemeinden sowie auf nationaler Ebene nicht unüblich.

Wir haben in Österreich seit Einführung des Beamtenstaates durch Metternich gelernt, dass man gewisse Fragen einfach nicht stellt, sondern sich darauf verlässt, dass „die da oben“ schon alles richten werden – auch für sich selbst. Letzteres ist mit Sicherheit nur in kleinem Umfang der Fall, doch gerade die strikte Auslegung des Amtsgeheimnisses, das der Bevölkerung Auskünfte verweigert und nie zur Gewohnheit werden lässt, nachzufragen, hindert diese daran, nachzuvollziehen, was in einer Gemeinde oder auf Bundesebene wieviel kostet, was es dafür braucht, wer involviert werden muss und wie diese Institutionen und Abteilungen miteinander arbeiten.

Demokratie wird erst begreifbar, wenn man Informationen hat

Eine genaue Einsicht in die Akten wäre zwar unbequem für die agierenden PolitikerInnen und BeamtInnen, würde der Bevölkerung aber helfen, politische Prozesse und Entscheidungen besser zu verstehen. Dieses Wissen ist das Um und Auf der staatlichen Organisation und jede/r BürgerIn hätte die Aufgabe und das Recht, diese Schritte zu erlernen. In Österreich fragt man lieber nicht nach, schimpft dann aber auf die sogenannten Oberen und geht davon aus, dass diese kein Interesse an den Bedürfnissen der Menschen hätten. Das trifft insbesondere auf jene PolitikerInnen zu, die sich nach einigen Jahren an der Macht einbilden, die immerwährend beste Option zu sein. Beispiele dafür gibt es von Wladimir Putin bis zu mancher/m Dorfkaiser/in. Sie informieren gerne und ausführlich über ihre Erfolge, weniger allerdings, wenn darum geht, was hinter den Kulissen passiert.

Die Bevölkerung sollte lernen, diese Informationen zu verlangen. Die Opposition hingegen muss lästig sein und in Frage stellen, denn die Bevölkerung hat dafür keine Zeit. Die Medien wiederum brauchen das Informationsfreiheitsgesetz dringend für ihre Arbeit. Es wäre ihre Verpflichtung, dieses zu nützen und nicht nach dem Spruch „die Hand, die mich füttert“ zu leben, sondern nachvollziehbare Aufklärungsarbeit für die Bevölkerung zu machen.

Informationen sind selbstverständlich

Die grüne Justizministerin Alma Zadić und Verfassungsministierin Karoline Edtstadler (ÖVP) setzen nun ein altes Versprechen um: eine massive Lockerung des Amtsgeheimnisses. Es soll für mehr Transparenz sorgen. Die Wutausbrüche bestimmter Politikerinnen und Politiker, wenn man sie um Auskunft fragt, sind legendär.

Viel zu häufig lassen sich BürgerInnen und auch die Opposition davon einschüchtern. Das könnte bald der Geschichte angehören. Denn kein Euro, über den amtsführende Politiker und Beamten verfügen, gehört ihnen. Jeder Cent wird nur zur Verfügung gestellt, um gewissenhaft für die Bevölkerung Projekte umzusetzen. Dementsprechend ist nicht nur jeder noch so kleine Betrag zu rechtfertigen und offenzulegen – und zwar konkret und nicht mit irgendwelchen Sammelrechnungen; ebenso alle Informationen zu staatlichen Unternehmen, Institutionen und Aktionen; all das mit kurzen Fristen bis zum Veröffentlichungsmuss sowie zu den Sanktionen, falls etwas weiterhin geheimgehalten wird. Seltsam, dass das in Österreich noch immer so utopisch klingt.

Zunächst erschienen in: Dolomitenstadt